Diedrich

Scotts letzte Fahrt

Wie fühlt man sich, wenn man aufbricht, als erster Mensch den Südpol zu erreichen, nur um dort feststellen zu müssen, daß schon vorher jemand da war? Nun, ich kann das jetzt ein wenig nachvollziehen.

Unser Familienname und ein vertendelter Adelstitel boten über die Jahr(hundert)e verführerisch viel Platz für Spekulationen. (Von) Gellern, bzw. Geldern? Da muß doch mehr dahinter stecken, als profaner norddeutscher Bauernadel! Eventuell sogar eine Verbindung zu den letzten Herzögen von Geldern?

Das „von“ im Namen war bekannt. Der älteste Vorfahr und seine Nachkommen im frühen sechzehnten Jahrhundert waren bekannt. Der Hof inklusive einer Ziegelei bei Celle war bekannt. Es gab sogar eine Kirchenglocke mit der Signatur eines „Jürgen Gellern“. Aber was kam vor 1550? Bekannt war ebenfalls, daß es ein Buch aus dem Jahr 1919 gab, in dem ein weit entfernter Verwandter bereits ausgiebig nach den Ursprüngen geforscht hatte.

Dieses Buch wurde in unserer Familie behandelt, wie der heilige Gral. Man kannte es vom Hörensagen, der Inhalt wurde zum Mythos und versprach die Antwort auf alle offenen Fragen.

Jetzt ist es uns gelungen, einen Blick hinein zu werfen. Es handelt sich um das 389 Seiten starke Buch „Die Geschichte der Familie v. Geldern und v. Geldern-Crispendorf“, in dem ein Walter von Geldern-Crispendorf den Ursprung seiner und auch unserer Familie ergründet.

Er investierte sieben Jahre Arbeit, tingelte auf der Suche nach Einträgen in Kirchenbüchern, Artefakten und mündlichen Überlieferungen unter anderem durch die Provinz Hannover, beackerte 500 (!) Adressbücher und stellte sogar Statistiken über die Lebenserwartungen der Familienmitglieder auf.

Und nun zur Bewertung. Zunächst widmet er sich dem Ursprung des Namens und seinen zahlreichen Schreibweisen. Setzt zunächst auch sorgsam das (von) vor dem Familiennamen in Klammern. Dann schildert er auf gut zwanzig Seiten detailliert die Geschichte dreier Generationen unserer gemeinsamen Vorfahren in Niedersachsen. Inklusive Stammtafel, Foto eines steinernem Epitaphs und eines (inzwischen vermutlich abgebrochenen) Fachwerkshaus in Braunschweig.

Zu dem Zeitpunkt, an dem der Zweig seiner Familie nach Mitteldeutschland absiedelt und dort später geadelt wird, enden jedoch die Aufzeichnungen über die Vorfahren unserer Familie Gellern, mit den zwei „L“ im Namen. Und so findet sich auch nicht viel darüber, wann zum Beispiel einer unserer Vorfahren in den Marienburger Werder in Westpreußen auswanderte.

Verblüffend ist, daß sich viele Forschungsergebnisse bzw. Argumente in den letzten hundert Jahren kaum verändert haben:

Der älteste Vorfahr kam vor 1550 nach Wohlenrode bei Celle. (Sein Vorname lautete Arendt, wie wir heute wissen) Dieser älteste Vorfahr war vermutlich Ziegelbrenner und Pächter des fürstlich Lüneburgischen Ziegelhofs in Wohlenrode bei Celle.

Sein Sohn Jürgen (von) Gellern heiratete die adelige Dorothea von Elding und zog nach Braunschweig.

Das „von“ deutet auf eine Herkunft aus dem Herzogtum Geldern und nicht auf eine Abstammung einer adeligen Familie „von Geldern“ hin.

Es gab enge Beziehungen zwischen dem Herzogtum Geldern und Ernst des Bekenners, Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Die beiden waren verschwägert.

Das Ansiedeln unseres Ahnherren in Niedersachsen hatte potenziell wirtschaftliche, religiöse (Celle war die erste vollständig reformierte Stadt Deutschlands) oder militärische Gründe. So wurde der Herzog von Braunschweig-Lüneburg in der Hildesheimer Stiftsfehde von 1519 von 400 „geldrischen Reitern“ unterstützt.

Allerdings werden in dem Buch auch Vermutungen widerlegt. So ist die Namensgleichheit unserer Familie mit einer Familie Gellern in Reval (dem heutigen Talinn im Baltikum) laut W. v. Geldern-Crispendorf rein zufällig.

Wozu jetzt der ganze Aufsatz. Nun einerseits offenbart uns Walter von Geldern-Crispendorf, daß er auf der Suche nach Vorfahren vor 1500 genauso scheitert, wie wir im 21ten Jahrhundert, andererseits sind seine Quellen und ausführlichen Beschreibungen der ersten drei gemeinsamen Generationen nicht mit Gold aufzuwiegen. Und er ermutigt uns ausdrücklich zu weiterem Forschen.

Und wenn er mich persönlich zu etwas ermutigt hat, dann dazu, die Lücken im Stammbaum zwischen 1650 und 1730 endgültig zu schließen, die Vorfahren, beziehungsweise lebenden Nachkommen ausfindig zu machen, die nach Westpreußen, Übersee, Ostwestfalen usw. verzogen sind und mich nicht entmutigen zu lassen, daß vor 1500 weiterhin Unklarheit herrschen wird.

Danke Walter, mein Alter!

Rainer

 

Beitragsbild: Auschnitt der Fassade des Hauses von Diedrich Gellern †1699  in Celle

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